Strategie

Ein zukunftsfähiges Konzept für die deutsche Wirtschaft – mit dem Besten aus zwei Welten zu nachhaltigem Erfolg mittelständischer Unternehmen   

Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Diese Aussage hört und liest man immer wieder von Vertretern aus Wirtschaft und Politik. Und in der Tat bestätigen das die aktuellen Angaben zur Wirtschaftsleistung, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Anfang 2022 veröffentlicht werden:

  • 99 % aller deutschen Unternehmen sind Mittelständler.
  • 33 % des gesamten Umsatzes in Deutschland erwirtschaften mittelständische Unternehmen.
  • 55 % aller deutschen Arbeitsplätze schaffen Unternehmen des Mittelstands.
  • 80 % der Auszubildenden in Deutschland sind bei mittelständischen Unternehmen angestellt.
     

Diese Tatsache der Gegenwart darf jedoch für die Zukunft nicht als gegeben und selbstverständlich angenommen werden. Megatrends wie Digitalisierung, technologische Innovationen oder nachhaltiges, klima- und ressourcenschonendes Wirtschaften erfordern ein neues Denken zum Erhalt der gewachsenen Strukturen.  

 

Dieser Artikel basiert auf einem Whitepaper, welches in Kooperation mit New Mittelstand entstanden ist. Zusammen mit New Mittelstand beleuchten wir hier, wie ein strategischer Weg zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Mittelstands aussehen kann.

 

Das Whitepaper „New Mittelstand Strategie – Zukunftsfähigkeit durch radikale Innovation parralel zum Kerngeschäft sichern“ können Sie sich hier herunterladen:




Der Artikel behandelt 9 akute Fragen, mit denen sich der deutsche Mittelstand Heute auseinandersetzen muss, damit der Mittelstand auch Morgen als Basis einer wettbewerbsfähigen deutschen Wirtschaft nachhaltig bestehen kann.  

1. Was sind die größten Herausforderungen für den Mittelstand? 

Die Weltwirtschaft befindet sich mitten in einer langfristigen Transformation. In zahlreichen Bereichen kommt es demnach zu weitreichenden, essenziellen Veränderungen des aktuell gültigen Ist-Zustands, der mittel- bis langfristig unausweichlich von einem neuen Soll-Zustand ersetzt werden wird. Aufgrund der globalisierten Wirtschaftsstruktur wird diese Transformation früher oder später auch die oft familiengeführten, aus Tradition gewachsenen Unternehmen des deutschen Mittelstands erreichen. So müssen sich viele mittelständische Unternehmen schon heute folgenden Herausforderungen stellen:

  • Fachkräftemangel. Aufgrund des demografischen Wandels der deutschen Bevölkerung geht das BMWI von einer Zunahme des Fachkräftemangels aus. Bereits heute sehen sich fast die Hälfte aller Berufsgattungen mit Fachkräftemangel konfrontiert. Mehr als 50 % der deutschen Unternehmen sehen in Fachkräftemangel ein unternehmerisches Risiko.
  • Unternehmensnachfolge. Laut einer Hochrechnung des in Bonn ansässigen Instituts für Mittelstandsforschung stehen für den Zeitraum 2018 bis 2022 in rund 150.000 deutschen Unternehmen Nachfolgeentscheidungen im Bereich der Unternehmens- und Geschäftsführung an.
  • Technologischer Wandel. Im Auftrag des BMWI durchgeführte Studien schätzen das zusätzliche Wachstumspotenzial einer Industrie 4.0 und der damit verbundenen Automatisierung und weiteren Transformationsprozessen auf 200 bis 425 Milliarden Euro bis 2025.
  • Digitalisierung. Der Trend hin zu mehr Digitalisierung und Vernetzung wirkt sich sowohl auf Produkte und Dienstleistungen als auch auf die damit verbundenen Arbeits-, Produktions- und Kommunikationsprozesse aus. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass mittelständische Unternehmen in diesen Bereichen Nachholbedarf im Vergleich zu Großunternehmen aufweisen.
  • Innovationsfähigkeit. Die globalisierte Wirtschaftsstruktur und die damit einhergehende Beschleunigung von Veränderungen des Bestehenden verlangen zukünftig neben Anpassungs- auch Innovationsfähigkeit, um als vollwertiges Mitglied des Marktes auf Dauer bestehen zu können.

In diesem Artikel und dem gemeinsamen Paper mit New Mittelstand werden für die genannten Herausforderungen Lösungsansätze vorgestellt, mit denen die Transformation der gewachsenen deutschen Mittelstandsstruktur hin zu einem zukunftsfähigen Ansatz gelingen kann. 

 

2. Wird der Mittelstand überleben? 

Der deutsche Mittelstand sieht sich laut Untersuchungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit einem Paradoxon hinsichtlich seiner Innovationsfähigkeit konfrontiert.  

Nur wenige Mittelständler mit zukunftsfähiger Innovationsstrategie 

Vergleicht man den Anteil der innovativen mittelständischen Unternehmen in Deutschland mit den Ausgaben für Forschung und Entwicklung, so ist eine scherenartige strategische Lücke bei der Entwicklung dieser beiden Faktoren zu erkennen:

Quelle: KfW; Zahlen für Innovatoren in 2005 und 2007 geschätzt, FuE Ausgaben 2008 und 2009 geschätzt.
Quelle: KfW; Zahlen für Innovatoren in 2005 und 2007 geschätzt, FuE Ausgaben 2008 und 2009 geschätzt.

Diese Entwicklung lässt darauf schließen, dass sich die Innovationskraft bzw. die damit verbundenen Investitionen des deutschen Mittelstands auf immer weniger Unternehmen konzentrieren.  

Deutscher Mittelstand nachhaltig in Gefahr? 

Insgesamt befindet sich die Innovationsfähigkeit mittelständischer Unternehmen auf dem tiefsten Stand der vergangenen 15 Jahre. Aufgrund immer kürzerer Technologiezyklen und dem damit verbundenen Innovationsdruck stellt sich für manche Branchen in der Tat die Frage, ob die Zukunftsfähigkeit des deutschen Mittelstandes nachhaltig in Gefahr ist. In diesem Zusammenhang ist die Digitalisierung der Wertschöpfungsketten eines der akutesten Probleme, mit dem sich mittelständische Unternehmen in Deutschland konfrontiert sehen. 

 

3. Geht es bei Digitalisierung wirklich um Technologie? 

Mit dem Begriff „Digitalisierung“ wird oftmals lediglich technologischer Wandel im Hinblick auf die Unternehmensorganisation beschrieben. Diese Annahme ist jedoch bei Weitem zu kurz gefasst, da der hinter dem Begriff stehende Prozess neben technologischer Transformation auch Veränderungen in der Unternehmenskultur und dem damit einhergehenden „Mindset“ miteinbezieht. 

Digitaler Wandel erfordert ganzheitliche Transformation 

Um den neuen Anforderungen des digitalen Wandels gerecht werden zu können, ist oftmals eine radikale Veränderung der Unternehmensorganisation auf mehreren Ebenen notwendig.

  • Unsicherheit und Entwicklungsform: Die bisherige Sicherheit einer pfadabhängigen Entwicklung muss für die Unsicherheit disruptiver, flexibler Entwicklungen aufgegeben werden.
  • Planbarkeit: Die bisherige Planbarkeit auf altbekannten Wegen weicht somit flexiblen Entwicklungsmöglichkeiten, die verschiedene Planungshorizonte erfordern.
  • Dynamik: Während feste Strukturen und Abläufe von geringer Dynamik geprägt waren, erfordern kurze Produktlebenszyklen sowie schnelllebige Innovations- und Transformationssequenzen sehr hohe und beschleunigte Dynamiken im Hinblick auf die Unternehmensorganisation.
  • Innovations- bzw. Iterationszyklen: Die Dauer der zugrundeliegenden Innovations- bzw. Iterationszyklen ist für das unternehmerische Wirtschaften der Zukunft nur schwer einzuschätzen. Entsprechend müssen die dahingehenden Innovationsstrategien angepasst werden.
  • Entscheidende Ressourcen: Während bislang überwiegend Kapital und Produktionsmittel die treibenden Faktoren für unternehmerischen Erfolg darstellten, hängt dieser zukünftig vermehrt von direktem Kundenkontakt und der zugrundeliegenden Kommunikationsplattform ab.
  • Perspektive auf Branchen: Eine branchenfokussierte Fixierung des Status quo wird zukünftig durch Geschäftsmodelle abgelöst, die branchenübergreifend aufgestellt und strukturiert sind.
  • Unternehmensgrenzen: Stabile Unternehmensgrenzen, die schwer zu durchdringen sind, werden zunehmend durch flexible und transparente Strukturen in Form von Allianzen, Kooperationen und Joint Ventures ersetzt.
  • Räumliche Organisation: Unternehmensaktivitäten an einem zentralen, physisch materiellen Standort weichen immer mehr dezentralen, immateriellen Handelsplätzen im virtuellen Raum.
  • Führung: Statt hierarchisch gestaltete Führungsstrukturen verlangen zukunftsfähige Geschäftsmodelle nach kollaborativer Führung, bei der mehrere Akteure aus unterschiedlichen Bereichen gleichberechtigt zusammenarbeiten.
  • Entscheidungen: Während heutzutage Entscheidungen immer noch aus langwierigen, darauf ausgerichteten Prozessen entstehen und mit einer Vielzahl von Daten und Fakten untermauert werden, müssen Entscheider der Zukunft schnell auf aktuelle Entwicklungen reagieren und die getroffenen Entscheidungen ständig hinterfragen und entsprechend der jeweiligen Entwicklungsdynamik neu anpassen.
  • Zusammenarbeit: Wurde in der Vergangenheit vermehrt Inhouse-Lösungen präferiert und die Zusammenarbeit mit unternehmensexternen Partnern erfolgte oftmals nur, wenn nötig, wird zukünftig nur eine kooperative Grundhaltung über Branchen hinweg zu nachhaltigem Unternehmenserfolg führen. 

3 Themen für Zukunftsfähigkeit mittelständischer Unternehmen entscheidend 

Der Fokus für einen erfolgreichen Wandel von den traditionellen Geschäftsmodellen des Mittelstands hin zum digitalen Wirtschaften mit nachhaltiger Zukunftsperspektive liegt somit insbesondere auf den folgenden Aspekten:

1. Kundenzentrierung
2. Innovationsklima
3. Business Modell

Diese drei Themenbereiche und ihre Neuausrichtung anhand der dargelegten Schwerpunkte entscheiden maßgeblich über die Zukunftsfähigkeit mittelständischer Unternehmen. Der damit verbundene radikale Wandel in der Unternehmensorganisation sollte vorzugsweise proaktiv durch die Unternehmen selbst erfolgen. Denn so müssen sie nicht passiv auf Veränderungen reagieren, sondern können die Transformation aktiv selbst gestalten. 

4. Ist Digitalisierung wirklich die größte Herausforderung? 

Damit mittelständische Unternehmen in Deutschland langfristig für die Herausforderungen der Wirtschaft von morgen gewappnet sind, ist die digitale Transformation vermeintlich lediglich der Schritt zum Status quo der aktuell gültigen Wirtschaftsordnung, die oftmals mit dem Begriff Internet Economy zusammengefasst wird. 

Internet Economy ist Status quo der Gegenwart 

Seit Anfang der 1990er Jahre begann das als Internet Economy bezeichnete Wirtschaftssystem die zuvor gültige Struktur der Industrial Economy abzulösen, die noch überwiegend auf die Erfüllung von Grundbedürfnissen und dann darauf aufbauend auf die Schaffung materiellen Wohlstands ausgerichtet war.
Mit der Internet Economy wurden auch zunehmend soziale Bedürfnisse in das wirtschaftliche Denken und Handeln eingebunden. Besonders Innovationen in den Bereichen Digitalisierung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie trieben die Interkonnektivität zwischen Personen, Unternehmen, Daten und Prozessen maßgeblich voran. Vernetzung ist somit der Dreh- und Angelpunkt dieser Veränderungsdynamik.  

Purpose Economy als nachhaltiges Konzept für die Zukunft 

Obwohl der Prozess der digitalen Vernetzung bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist, deutet sich bereits der nächste kulturelle Wandel an, der mit großer Wahrscheinlichkeit weitere Veränderungsprozesse in der wirtschaftlichen Ordnungsstruktur nach sich ziehen wird: die Purpose Economy. Die aktuellen globalen Probleme unserer Zeit und hier insbesondere der fortschreitende Umwelt- und Klimawandel sowie zunehmende Ressourcenknappheit bringen nach und nach eine neue Generation von Konsumenten hervor, die Produkte und Dienstleistungen der Zukunft vor allem anhand der Kriterien „Sinnstiftung“ und „Nachhaltigkeit“ betrachten und bewerten wird.
Neben der digitalen Transformation muss der deutsche Mittelstand sich somit auch mit entsprechenden Innovationsstrategien beschäftigen, die Produkte und Dienstleistungen unter diesem Aspekt für zukünftige Kundengenerationen interessant und attraktiv erscheinen lassen. 

New Purpose Economy

 

5. Was kann der Mittelstand von Start-ups lernen? 

Der Erfolg mittelständischer Unternehmen begründet sich häufig auf langfristig gewachsenen Strukturen und Prozessen, die in Qualitätsvorteilen gegenüber größeren Wettbewerbern resultieren. Die durch die Internet Economy implementierte Schnelllebigkeit von Produkten und Dienstleistungen sowie die Dynamik der dahinterstehenden Geschäftsprozesse fördern hingegen eher kleinere und flexiblere Unternehmensstrukturen in Form von Start-ups. 

New Mittelstand – Synthese von Start-ups und Mittelstand 

Damit der deutsche Mittelstand auch in Zukunft die Herausforderungen einer Purpose Economy annehmen und erfolgreich bewältigen kann, müssen Aspekte der traditionellen Mittelstandskultur durch die dynamischen Unternehmensansätze von Start-ups ergänzt und erweitert werden. Dieser als New Mittelstand bezeichnete Ansatz kombiniert die Stärken beider Unternehmensformen und setzt damit die Voraussetzungen für eine nachhaltig zukunftsfähige und authentische Unternehmensstruktur. 

New Mittelstand als Konzept zukunftsfähig 

Das Konzept des New Mittelstand birgt in vielerlei Hinsicht Potenzial, um mittelständische Unternehmen zukunftsorientiert aufzustellen:

  • Nachhaltiger Erfolg ist durch die Kombination von langfristiger Ausrichtung mit dynamischem Wachstum möglich.
  • Evolutionäre Optimierung gepaart mit technologischem Wandel führt zu multihorizontalen Innovationen und der Erschließung neuer Absatzmärkte.
  • Neben der fokussierten Expertise in spezifischen Bereichen sorgen Innovationen in neuen Märkten für nachhaltige Vielfalt von Produkten und Dienstleistungen.
  • Skalierbare Profitabilität und auch der Einsatz von Risikokapital schaffen Möglichkeiten, um eine kontinuierliche, am Zeitgeschehen orientierte Transformation der Unternehmen sicherzustellen.
  • Regionale Verantwortung sowie die Erschließung neuer Märkte gehen Hand in Hand und führen im besten Fall zu einer Win-win-Situation.
  • Generationsübergreifende Kontinuität kombiniert mit visionärem, selbstbewusstem Opportunismus bieten Potenzial für zukunftsorientierte Kooperationen und Zusammenarbeit.
  • Familiäre Strukturen und langfristig gewachsenes Expertenwissen sowie Gründergeist und eine performanceorientierte Geschäftsausrichtung sorgen für eine ausbalancierte Wertgenerierung.
    Das im New Mittelstand zusammengeführte Konzept eröffnet mittelständischen Unternehmen damit eine ganzheitliche, flexible Innovationsstrategie, die mithilfe einer transformativen Führungskultur nachhaltig erfolgreich umgesetzt werden kann. 

 

6. Wie lässt sich eine Transformation zu New Mittelstand umsetzen? 

Damit mittelständischen Unternehmen in Deutschland eine Transformation zum New Mittelstand gelingt, sind sowohl kurz- als auch langfristig Innovationen erforderlich, die sich letztendlich zu einem ganzheitlichen Ansatz zusammenfügen. Dabei gilt es, die richtige Balance zu finden zwischen:

  • Produktentwicklung und Verbesserung der Wertschöpfungskette
  • Ausbau und Verbesserung der Marktposition sowie Erhöhung des Kundennutzens

Beide Faktoren müssen aufeinander abgestimmt auf drei unterschiedlichen Ebenen berücksichtigt werden. 

3 Horizonte zur Transformation zum New Mittelstand

Profitabilität des Kerngeschäfts optimieren 

Der erste Schritt auf dem Weg zum New Mittelstand ist die Optimierung der Profitabilität des Kerngeschäfts. Ein entscheidender Faktor, um diese Vorgabe nachhaltig erfolgreich umsetzen zu können, ist, die Chancen der Digitalisierung adäquat zu nutzen. Wie bereits erwähnt, zeigen zahlreiche Studien einen Nachholbedarf deutscher mittelständischer Unternehmen in diesem Bereich. Ansatzpunkte sind hierfür unter anderem:

  • Nutzung neuer digitaler Softwarelösungen
  • Einführung von Industrie 4.0-Anwendungen im Produktionsprozess
  • Standardisierte eBusiness-Prozesse
  • Digitale Vernetzung entlang der Wertschöpfungs- und Lieferketten

Digitalisierung und Vernetzung bilden die Basis für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell, das skalierbar ist und in einem nächsten Schritt auch die Expansion hin zu einer Innovationsstrategie ermöglicht, um neue Produkte zu entwickeln und bislang ungenutzte Absatzmärkte zu erschließen. 

Mit neuen Produkten, Dienstleistungen und Märkten Wachstum generieren 

Sobald die Aufbau- und Ablauforganisation des Kerngeschäfts durch Digitalisierung und intelligente Vernetzung auf ein zukunftsfähiges Fundament gesetzt ist, kann die sukzessive Expansion der Unternehmenstätigkeit erfolgen. Dafür sind insbesondere zwei Maßnahmen erforderlich:

  • Konstante Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung
  • Entsprechende Fort- und Weiterbildung des Humankapitals

Mit der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie der Erschließung neuer Märkte werden Unternehmen des deutschen Mittelstands nach und nach unabhängiger von ihrem Kerngeschäft. Sollte hier in der Zukunft aufgrund von Innovationen oder der Veränderung von Bedürfnissen und Nachfrage ein nachhaltiger Umsatzrückgang erfolgen, können Unternehmen, die den Ansatz des New Mittelstand verfolgen, dies mit der sukzessiven Erweiterung der Geschäftstätigkeit in anderen Absatzmärkten leichter ausgleichen. 

Nachhaltiger Unternehmenserfolg durch die Schaffung neuer Märkte und Lösungen 

Ein dritter Schritt hin zum New Mittelstand ist schließlich die proaktive Schaffung neuer Absatzmärkte und Lösungen. Mithilfe einer weitreichenden Innovationsstrategie, einem skalierbaren Geschäftsmodell und einer effizienten Aufbau- und Ablauforganisation können mittelständische Unternehmen neue Produkt- und Dienstleistungslösungen erbringen oder gar neue Absatzmärkte schaffen. 

7. Was sind die konkreten Schritte bei der Umsetzung der Transformation? 

Eine wesentliche Herausforderung für mittelständische Unternehmen, die als Teil des New Mittelstand auch in Zukunft nachhaltig am Wirtschaftsgeschehen partizipieren wollen, wird die Implementierung einer dualen Innovationsstrategie sein. 

Konkrete Schritte bei der Umsetzung der Transformation

Evolutionäre Ansätze des deutschen Mittelstands über Jahrzehnte gewachsen 

Ein Element der dualen Innovationsstrategie ist die evolutionäre Denkweise, die in mittelständischen Unternehmen über Jahrzehnte hinweg gewachsen ist und kultiviert wurde:

  • Herkunft verstehen – Analyse der Ist-Situation
  • Zukunft vorstellen – Prognose der Soll-Situation
  • Planen – Entwurf einer Transformationsstrategie
  • Transformation – Implementierung und Umsetzung

Evolutionäre Ansätze folgen einem strukturierten Ablauf und festgelegten Vorgaben. 

Revolutionäre Ansätze typisch für Start-ups und junge Technologieunternehmen 

Als zweites Element einer dualen Innovationsstrategie kommen revolutionäre Ansätze zum Einsatz, die vor allem für die schnellen und flexiblen Entwicklungsprozesse von Start-ups und jungen Technologieunternehmen genutzt werden:

  • Inspirieren – Visionen schaffen für Produkte und Märkte der Zukunft
  • Experimentieren – Visionen durch Forschung und Entwicklung realisieren
  • Struktur aufbauen – neue Produkte und Dienstleistungen einführen
  • Skalieren – Nachfrage und Absatzmärkte schaffen

Revolutionäre Ansätze richten ihre Strategien an den potenziellen Konsumentenbedürfnissen der Zukunft aus. 

Kombination beider Ansätze ebnet den Weg zum New Mittelstand 

Die Kombination der beiden vorgestellten Innovationsströme erlaubt es mittelständischen Unternehmen bereits heute, sich mit den radikal innovativen Themen von morgen auseinanderzusetzen. Mit dem besten aus beiden Welten entstehen:

  • Nachhaltiges Wachstum – ausgewogene Mischung aus organisch gewachsenen Strukturen und der Erschließung neuer Märkte mit exponentiellem Wachstum
  • Qualität – gesellschaftliche Verantwortung durch umwelt-, klima- und ressourcenschonende Prozesse kombiniert mit umsatzschaffender Quantität und Skalierung
  • Kundenerfolg – neben den Zielen Kundenzufriedenheit und Kundentreue spielt auch die Gewinnung von Neukunden eine entscheidende Rolle
  • Bewusstsein – sowohl das Markenvertrauen in Bekanntes als auch die Produktakzeptanz für Neues werden berücksichtigt

Werden beide Innovationsströme also homogen miteinander kombiniert und mithilfe einer entsprechenden Innovationsstrategie implementiert, können mittelständische Unternehmen als Teil des New Mittelstand zuversichtlich in die Zukunft blicken. 

 

8. Klingt einfach – aber ist so etwas wirklich auf tradierte Unternehmen anwendbar? 

Der nachfolgende Abschnitt zeigt anhand einer konkreten Fallstudie auf, wie das Konzept New Mittelstand in der Praxis implementiert werden kann. Betrachtet wird hierfür die Transformation von hardwaregetriebenen hin zu datengestützten Geschäftsmodellen in der Automobilindustrie. 

Ausgangssituation 

Nach dem Zusammenschluss mehrerer Familienunternehmen kommt es zu hoher Personalfluktuation auf der Führungsebene. Es herrscht Einigkeit darüber, dass weitreichende Veränderungen im Bereich „Automotive Aftermarket“ (z. B. e-mobility, sharing economy, etc.) notwendig sind. Die Gefahr wird erkannt, dass ein hardwaregetriebenes Kerngeschäft in den kommenden 5 bis 10 Jahren irrelevant werden könnte. Darüber hinaus erzwingen zahlreiche Herausforderungen im Qualitätsbereich des Kerngeschäfts zukunftsfähige Lösungsansätze. 

Vorgehen 

Die Entwicklung einer zukunftsorientierten Gesamtstrategie hat oberste Priorität. Sowohl die Neupositionierung am Markt als auch die Fokussierung auf „Sustainable Value“ im Datenbereich gehören zu den wichtigsten Aspekten des Transformationsprozesses. Machbarkeitsprüfungen mithilfe von Hackathons werden durchgeführt. Ein eigenes Investitionsbudget für die New Mittelstand-Transformation wird freigegeben. Eine parallele Organisationsstruktur zum Aufbau des neuen Geschäftsmodells wird implementiert. 

Eingeleitete Transformation 

Die neue Unternehmenskultur wird kommuniziert. Ein Digital Board, das die Steuerung des neuen Geschäftsmodells übernimmt, wird eingeführt. Die Kernkompetenz aus dem Bestandsgeschäft wird ergänzt durch das Recruiting neuer Talente. Es erfolgt eine Neuaufstellung der Organisation mit agilen Prozessen und der Unterstützung durch OKR/KPI-Systeme. Ein Pilotprojekt auf Basis des neuen datengestützten Geschäftsmodells wird durchgeführt. 

Ausblick 

Die neue Tech-Kultur wird schrittweise implementiert. Durch Innovation neu geschaffene Bereiche sollen zukünftig signifikante Umsatzanteile generieren. Das kontinuierliche Wachstum des Kerngeschäfts wird durch implementierte „Shared Services“ sichergestellt. Die Innovationskraft wird durch neu eingeführte Prozesse und Methoden nachhaltig gestärkt. 

Offenheit für Veränderung entscheidet über Erfolg einer New Mittelstand-Transformation 

Entscheidend für das Gelingen einer New Mittelstand-Transformation wird sein, ob mittelständische Unternehmen:

  • das gegenwärtige Geschäftsmodell angemessen analysieren und entsprechend reflektieren
  • die Notwendigkeit von Veränderungen erkennen
  • den Mut für einen notfalls radikalen Wandel aufbringen
  • den Transformationsprozess konsequent durchsetzen und implementieren

Dafür ist jedoch nicht nur eine transformative Führungskultur entscheidend. Die gesamte Belegschaft sollte früh in den Transformationsprozess eingebunden und von seiner Notwendigkeit im Hinblick auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens überzeugt werden. 

9. Wie fangen wir am besten an? 

Ein guter Startpunkt für mittelständische Unternehmen, um mit der Transformation zu einem Unternehmen des New Mittelstand zu beginnen, ist die Erstellung einer Transformationslandkarte. Mit ihr kann man das der Transformation zugrundeliegende Konzept strukturiert und übersichtlich darstellen und somit die hohe Komplexität der Fragestellung vereinfachen. Die Transformation umfasst mehrere Bereiche, die sich durch Interaktion gegenseitig beeinflussen.  

Kultur und Marke 

In diesem Bereich der Transformationslandkarte werden die grundlegenden Fragen beantworten, die das zukünftige Unternehmen als Ganzes betreffen, also unter anderem:

  • Welchen nachhaltigen Sinn/Nutzen bzw. „Purpose“ soll das Unternehmen repräsentieren?
  • Für welche Werte und Visionen soll das Unternehmen einstehen?

Die in diesem Bereich definierten Antworten bilden die Basis für die übrigen Bereiche. 

Kundenbedürfnisse 

Dieser Bereich definiert zum einen den aktuellen Kundenstamm und die jeweiligen Erwartungen und Bedürfnisse. Darüber hinaus wird aber auch der Kunde der Zukunft erdacht und dessen Anforderungen an das Unternehmen prognostiziert. 

Organisation und Leadership 

Dieser Teil der Transformationslandkarte beleuchtet die Organisations- und Führungsstruktur des Unternehmens. Dabei stehen insbesondere die aktuellen Stärken und Schwächen im Fokus und welche Veränderungen erfolgen müssen, um das „Mindset“ des New Mittelstand in der Unternehmensstruktur zu implementieren. 

Marktentwicklungen 

Hinsichtlich der Positionierung des Unternehmens auf den Absatzmärkten der Zukunft müssen unter anderem folgende Fragen beantwortet werden:

  • Was sind die aktuell dominierenden Trends und welche wesentlichen Trends werden die Zukunft bestimmen?
  • Wie positionieren sich mit Wagniskapital finanzierte Start-ups am Markt?
  • Welche Tendenzen und Entwicklungen zeigen Märkte auf globaler Ebene?

Technologie und Design 

Dieser Bereich beschäftigt sich primär mit dem technologischen Wandel und damit einhergehenden menschlichen Veränderungen. Von Bedeutung ist vor allem der potenzielle Einfluss auf das Geschäftsmodell des Unternehmens. 

Strategie 

Damit eine New Mittelstand-Transformation gelingen kann, ist eine strukturierte Strategie notwendig. Sowohl die Priorisierung und Gewichtung einzelner Implementierungsschritte als auch die Unterteilung in kurzfristige und langfristige Teilziele ist in diesem Zusammenhang sinnvoll. 

Business Model 

Das aktuelle Geschäftsmodell wird in diesem Teilbereich klar definiert. Darüber hinaus werden auch alternative Wege hin zum Geschäftsmodell der Zukunft erarbeitet und schriftlich festgehalten. 

Ganzheitlicher Ansatz für nachhaltig erfolgreiche Transformation entscheidend 

Damit eine Transformation zum New Mittelstand gelingen kann, ist es elementar, dass Unternehmen alle Teilsegmente der Transformationslandkarte berücksichtigen und sowohl Inhalt als auch Umsetzung aufeinander abstimmen. Lediglich eine ausgeglichene, ganzheitliche Herangehensweise führt letztendlich zu einer nachhaltig erfolgreichen New Mittelstand-Transformation. 

 

 

AUTOR

Stefan Benndorf, Founding Partner scaleon GmbH

 

 

 

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